Zur Entlastung des seit dem 16. Jahrhundert bestehenden städtischen Gymnasiums – welches 1897 in das heute noch existierende altsprachliche Lessing-Gymnasium und das ebenfalls noch bestehende neusprachliche Goethe-Gymnasium aufgeteilt wird – wird 1888 das „Kaiser-Friedrich-Gymnasium“ gegenüber des Zoos gegründet. Namenspatron des humanistischen Gymnasiums war der damalige Kaiser Friedrich III, der zu jener Zeit in Deutschland regierte. Das Schulgebäude wurde 1887 nach Entwurf der Regierungsbaumeister Endell und Schäfer mit einer risalitbetonter Neurenaissancefassade erbaut.
Neben dem Gymnasium existierte ein weitere Schulbau: Die 1881 eingeweihte jüdisch-orthodoxe Samson-Raphael-Hirsch-Schule, eine Realschule für Knaben und Lyzeum für Mädchen der Israelitischen Religionsgesellschaft. Während des Nationalsozialismus wurden die jüdischen Schülerinnen und Schüler ebenso wie Lehrer auf dem Schulweg nahezu täglich massiver Diskriminierung, Anfeindungen, verbaler und physischer Gewalt ausgesetzt. Dazu trugen auch die Schüler des benachbarten Kaiser-Friedrichs-Gymnasiums aktiv bei. Die Bildungseinrichtung bestand 86 Jahre – sie wurde nach der sukzessiven Vertreibung und Entrechtung ihrer jüdischen Schüler und Lehrer durch die Nationalsozialisten im Jahr 1939 geschlossen. Das Schulgebäude wurde 1944 im Zweiten Weltkrieg durch britische und US-amerikanische Bombenangriffe in Mitleidenschaft gezogen, jedoch in den Nachkriegsjahren erneut in Betrieb genommen.
In die Gründungsphase datieren die von 1899 bis 1904 gemalten und 1906 vollendeten Fresken von Wilhelm Steinhausen, bis heute erhalten und ein seltenes Beispiel für großflächige Jugendstil-Malerei in einer denkmalgeschützten Aula.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1945 das Kaiser-Friedrich-Gymnasium umbenannt – in das “Staatliche Gymnasium Frankfurt am Main”.
Am hundertsten Jahrestag der Eröffnung der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche erhielt das Gymnasium 1948 vom Hessischen Kultusministerium ihren heutigen Namen nach Heinrich-von-Gagern, dem Präsidenten der ersten deutschen Nationalversammlung.
Im Jahr 1960 wurde das Schulgebäude der jüdischen Samson-Raphael-Hirsch-Schule abgerissen. Seit 1963 steht der an den Altbau anschließende modernere Erweiterungsbau des Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums an dessen Stelle. Dieser enthält den vom Künstler Hermann Goepfert geschaffenen sogenannten “Lichtturm” aus Aluminiumblech, welcher im Jahr der Eröffnung aufgestellt wurde. Zwischen Alt- und Neubau ragen geometrisch geformte Aluminiumbleche vom Eingangsbereich bis in den vierten Stock nach oben.
Im Laufe der 1968er-Bewegung fiel die Schule als Ort hochpolitischer Aktionen auf und war ein „Zentrum der Schülerbewegung“. Schülerinnen und Schüler hatten vor Ort andauernde Konflikte mit den Lehrkräften, sodass mehrere Male die Polizei eingeschaltet wurde und es trotz betonter Friedlichkeiten auf Seiten der Aktivisten zu gewaltsamen Räumungen kam. Nach den 1970ern ebbte die politische Polarität ab.
1989 wurde im Lichthof des Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums eine erste Bronze-Gedenktafel für die früher dort stehende Samson-Raphael-Hirsch-Schule enthüllt.
Von dem „Verein der Ehemaligen und Freunde“ des Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums wird seit 1990 in Erinnerung an den ehemaligen Direktor Heinrich Weinstock der sogenannte Weinstock-Preis gestiftet. Der Preis wird für herausragende Aktivitäten, die das Leben der Schule prägen, die Schulgemeinde fördern, ihre Tätigkeit als Bildungsinstitution hervorheben, aus der schulischen Arbeit erwachsen, das soziale Leben in der Schule fördern oder einen sozialen Einsatz zum Inhalt haben, vergeben.
Seit November 1998 erinnert anlässlich des 150. Jahrestages der Nationalversammlung eine u.a. von Schülerinnen und Schülern geschaffene Sandsteinskulptur, das sogenannte Gagern-Denkmal, auf dem Schulhof an Heinrich von Gagern.
Eine weitere Bronze-Gedenktafel für die Samson-Raphael-Hirsch-Schule wurde im Juni 2001 enthüllt. Die Inschrift der Gedenktafeln ist jedoch historisch nicht präzise, da die Schule nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in Betrieb genommen wurde.
2007 wurde die zweigeschossige Turnhalle fertiggestellt und eröffnet.
Seit 2008 ist die Schule in der Bernhard-Grzimek-Allee ansässig, der frühere westliche Teilabschnitt der Straße „Am Tiergarten“ wurde zu Ehren von Bernhard Grzimek umbenannt.
2013 wurde in der Frankfurter Paulskirche ein Festakt anlässlich des 125-jährigen Jubiläums des HvGGs veranstaltet, bei dem unter anderem der damalige Präsident des Deutschen Bundestages, Professor Norbert Lammert, eine Rede hielt.
Text & Auswahl der schriftlichen und bildlichen Quellen: Matteo R. Cornelli, Q2 (AG Schülerredaktion) Sollte mir ein Fehler bei der Darstellung des historischen Ablaufs bzw. den geschichtlichen Begebenheiten unterlaufen sein, würde ich mich über eine E-Mail an matteo.cornelli06 [at] gmail.com sehr freuen.
Ein besonderer Dank gilt neben der Deutschen Digitalen Bibliothek für die Bereitstellung von Informationen dem Institut für Stadtgeschichte Frankfurt und der Technischen Universität Berlin für die Zusendung und Zurverfügungstellung von Teilen des Bildmaterials.
https://hvgg.de/wp-content/uploads/2023/08/1077163901-619957-1070.jpg432768Matteo Cornellihttps://hvgg.de/svg/HvGG_kreis_Text.svgMatteo Cornelli2023-08-18 13:08:042023-10-19 09:35:20Schulgeschichte: Vom Kaiser-Friedrich-Gymnasium zum Heinrich-von-Gagern-Gymnasium
Die LLF, die im Grunde eine Winterveranstaltung ist und die ihren festen Platz in den Weihnachtsferien hat, fand auf vielfachen Wunsch und zur Verkürzung der Wartezeit nun auch mal im Sommer statt.
Von 19 Uhr am 21.7. bis um 6 Uhr in der Früh des 22.7. verbrachten alte und neue Cinephile gemeinsame Zeit, um mit wie immer außergewöhnlichen Filmen und einem phantasievollen Büffet das Ende des Schuljahres zu begehen. Aktuelle und ehemalige Schüler und Schülerinnen trugen dabei wieder einmal zu einer wunderbaren Nacht der bewegten Bilder bei. Und eines ist natürlich klar: Nach der LLF ist vor der LLF.
https://hvgg.de/wp-content/uploads/2023/07/Screenshot-2023-07-28-at-00-45-15-Die-Rueckkehr-der-Legendaeren-Langen-Filmnacht-LLF-Nr.XXI-–-Heinrich-von-Gagern-Gymnasium.png314564Rainer Durdauthttps://hvgg.de/svg/HvGG_kreis_Text.svgRainer Durdaut2023-07-28 00:54:212023-08-03 16:40:09Die „Legendäre Lange Filmnacht” (LLF Nr. XXII) zum Abschluss des Schuljahres!
40 Jahre in 40 Minuten – das erreicht Tino Leo mit seinem ‚Histotainment‘, einer unterhaltsamen Art der Geschichtsvermittlung. Mit einer Mischung aus Leidenschaft und Geschicklichkeit schlüpfte der Schauspieler am 28. Juni 2023 in die Haut von zehn faszinierenden Charakteren der Revolution von 1848/49 und entfesselte die vergessenen Stimmen der Geschichte auf der Bühne des Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums. Das Ein-Mann-Theaterstück “Einigkeit und Recht und Freiheit” verzauberte uns Zuschauer mit einer atemberaubenden Reise in die Tiefen der Revolution von 1848/49, die geprägt war von Hoffnung, Aufbruch und Enttäuschung.
Der Schauspieler war mal der österreichische Staatskanzler Clemens von Metternich, mal der preußische Revolutionsverhinderer, König Friedrich Wilhelm IV. oder auch der Namensgeber unserer Schule – Heinrich-von-Gagern. Sie alle erlebten diese Jahre auf ganz unterschiedliche Weise, ob in Berlin, Wien oder Frankfurt. Er offenbarte die zerrissenen Seelen jener Menschen, die vor 175 Jahren den Mut hatten, für Einigkeit, Recht und Freiheit zu kämpfen.
Die Bühne verwandelte sich in einen Schmelztiegel der Emotionen, als Tino Leo in die Rolle von Joseph Adam von Itzstein schlüpfte, einem unbekannten Helden der Revolution von 1848. Von der Hoffnung getragen, dass sich die Verhältnisse ändern würden, musste Itzstein sein geliebtes Deutschland verlassen und auf der Flucht vor dem Vorwurf des Hochverrats sein Leben aufs Spiel setzen. Mit einem virtuosen Sprung in die Vergangenheit führte uns Tino Leo durch die Zeit des Wiener Kongresses und des Hambacher Fests, um gemeinsam mit den Figuren der Geschichte die Höhen und Tiefen der Revolution zu erleben – von Momenten inniger Brüderlichkeit bis hin zu den Schatten des Scheiterns.
Wir Zuschauer waren gebannt, als Tino Leo zwischen den Charakteren wechselte, ohne Kostümwechsel oder aufwändige Requisiten. Sein Spiel war ein Wechsel zwischen leisen Momenten und kraftvollen Ausbrüchen, zwischen sanften Tönen und donnernden Worten. Der Schauspieler entfachte das Feuer der Revolution auf der Bühne und ließ es in den Herzen des Publikums entflammen.
Nach dem beeindruckenden Schauspiel folgte eine anregende Fragerunde, in der wir Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit hatten, uns mit Tino Leo über seine Berufung als ‚Histotainer‘ auszutauschen. Interessiert lauschten wir seinen Erzählungen über die historische Recherche und die vielen inspirierenden Quellen, die er für das Stück nutzte.
Das Ein-Mann-Theaterstück “Einigkeit und Recht und Freiheit” eröffnete uns Schülerinnen und Schülern einen eindrucksvollen Zugang zur Revolution von 1848/49. Inmitten des fesselnden Schauspiels konnten wir die Bedeutung von Demokratie und Freiheitsrechten hautnah erfahren. Aus der Retrospektive tauchte Tino Leo immer wieder ein in die wechselhaften Zeiten, in der die Revolutionäre viel aufs Spiel setzten, damit wir heute frei leben können. Das Stück verdeutlichte auf eindringliche Weise, dass die Errungenschaften der Vergangenheit, für die die Revolutionäre von 1848/49 ihr Leben riskierten, auch heute noch von unschätzbarem Wert sind.
Das Heinrich-von-Gagern-Gymnasium dankt Tino Leo für seine eindrucksvolle Darbietung der Geschichte. Sicherlich lebt die eine oder andere Erinnerung an dieses Theaterstück in den Herzen der Zuschauer weiter und inspirieren uns, zu mutigen Hütern der Einigkeit, des Rechts und der Freiheit zu werden …
Fotos: Enrico Sauda (Frankfurter Neue Presse) Text: Matteo R. Cornelli, Q2 (AG Schülerredaktion)
https://hvgg.de/wp-content/uploads/2023/07/foto_sauda_2023_06_28_Tino-Leo_7-scaled.jpg14432560Matteo Cornellihttps://hvgg.de/svg/HvGG_kreis_Text.svgMatteo Cornelli2023-07-17 01:05:302023-07-20 17:42:34„Einigkeit und Recht und Freiheit“ – Ein-Mann-Theaterstück zur Revolution von 1848/49
Im kommenden Schuljahr wird es erneut die Nachhilfebörse geben, welche das Finden von Nachhilfelehrerinnen und Nachhilfelehrern innerhalb der Schulgemeinde vereinfachen soll. Die Nachhilfebörse ist hier zu finden und wird von mir, Matteo Cornelli aus der jetzigen Q2, organisiert.
Bei Fragen jeglicher Art können Sie sich bzw. könnt Ihr euch gerne an mich wenden. Am besten melden sich Schülerinnen und Schüler, die interessiert wären, Nachhilfe zu geben, bereits vor Schulanfang an mich, damit das Finden von Nachhilfelehrern nach den Sommerferien reibungslos klappt. Meine E-Mail ist unter dem obigen (ersten) Link zu finden.
Gespräch mit dem „Krabat“-Drehbuchautor Michael Gutmann
Die Geschichte des Waisenjungen „Krabat“, der auf einer Mühle im Koselbruch bei Schwarzkollm als Lehrjunge die Kunst der schwarzen Magie erlernt und sich gegen seinen Meister behaupten muss, begeistert schon Generationen von Leserinnen und Lesern. Auch an unserer Schule wird Otfried Preußlers Jugendbuchklassiker von allen 6. Klassen gelesen.
Da liegt es nahe, auch die Verfilmung des Regisseurs Marco Kreuzpaintner aus dem Jahr 2008 zu schauen. Nachdem wir uns intensiv mit dem Roman im Unterricht beschäftigt hatten, waren wir gespannt zu sehen, wie Krabat, Tonda und Juro, die Kantorka oder der Meister nun im Film aussehen oder wie die einzelnen Situationen, die im Roman geschildert werden, verfilmt wurden.
Umso mehr haben wir uns gefreut, dass der „Krabat“-Drehbuchautor Michael Gutmann zu uns gekommen ist, um uns von seiner Arbeit zu erzählen und unsere Fragen zum Film und seiner Entstehung zu beantworten. Mit im Gepäck hatte er nicht nur ein spannendes „Making-of“, sondern auch einen der Filmproduzenten, Thomas Wöbke, der uns per Videokonferenz zugeschaltet wurde.
Wir erfuhren viele spannende Dinge, wie zum Beispiel, dass einer der Drehorte Rumänien war. Genau genommen die Karpaten, eine unberührte Fläche, die sich daher perfekt für die Dreharbeiten eignete. Dort wurde die Mühle sogar eigens für den Film aufgebaut, ganz nach den Vorstellungen der Filmcrew und mit authentischen Materialien der Zeit, in der „Krabat“ spielt, nämlich Ende des Dreißigjährigen Krieges.
Doch nicht alles im Film ist echt – klar, denn häufig geht es in „Krabat“ nicht mit rechten Dingen zu: Zerbrochene Krüge fügen sich auf magische Art und Weise wieder zusammen und Jungen verlassen ihren Körper, um unbemerkt durchs Dorf zu spazieren. Viele Zauberszenen wurden digital nachbearbeitet, etwa die Verwandlung der Lehrjungen in Raben. Hierfür wurden teilweise lebendige Raben vor einem Bluescreen gefilmt und teilweise computeranimierte Raben genutzt.
Thomas Wöbke erzählte uns, dass das Casting sehr lange dauerte. Der Hauptdarsteller, David Kross, war zwar schnell gefunden, denn als er durch die Tür kam, so Wöbke, war jedem sofort klar, dass er der Richtige für die Rolle des Krabat war. Doch das ging nicht bei allen Figuren so schnell. Letztlich hätten sie aber großes Glück gehabt, die richtigen Schauspielerinnen und Schauspieler gefunden zu haben.
Beim Schauen des Films haben wir bemerkt, dass an vielen Stellen Änderungen im Vergleich zur Romanvorlage vorgenommen wurden. Auf unsere Frage, warum das so sei und zum Beispiel einzelne Szenen weggelassen oder andere hinzugefügt oder verändert wurden, antwortete Herr Gutmann, dass dies daran liege, dass in einem Film anders „erzählt“ werde als in einem Roman, man habe schließlich weniger Zeit, um die Geschichte zu entfalten, und im Kino komme es auf andere Dinge an als in einem Buch. Alle Änderungen seien aber mit der Tochter von Otfried Preußler abgesprochen worden, die eng in die Entstehung des Films einbezogen wurde. Preußler selbst sei damals schon zu alt gewesen, weshalb sich seine Tochter um sein literarisches Erbe kümmere. Besonders interessant fanden wir, dass Herr Gutmann Preußler aber tatsächlich einmal persönlich getroffen hat! Gutmann schwärmte davon, dass Preußler so ein großartiger Erzähler sei. Das finden wir auch!
Zum Schluss räumte der Drehbuchautor ein, dass nicht unbedingt alle Szenen so umgesetzt wurden, wie er sich das beim Schreiben des Filmmanuskripts dachte. Das sei aber normal, dass jeder seine eigenen Bilder im Kopf habe. Auch das können wir bestätigen, obwohl der Film uns insgesamt großen Spaß gemacht hat.
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Michael Gutmann und Thomas Wöbke für diesen großartigen Einblick in die Filmwelt – und bei Frau Kraft, die die Veranstaltung organisiert hat!
Text: Elli, Finja, Frida und Frau Jazo (6a)
Fotos: Elisa Benner und Susanne Battenberg
https://hvgg.de/wp-content/uploads/2023/07/81f1d96a-640d-45bc-bba9-9bdd8f3ef335.jpeg9601280Leonore Flackehttps://hvgg.de/svg/HvGG_kreis_Text.svgLeonore Flacke2023-07-15 21:01:282023-07-15 21:01:30Wie verfilmt man einen Literaturklassiker?