“Als Familie war man immer im Spannungsfeld und am Ende fliegt dein Weltbild in die Luft”

Heute fand die Fahrt der sechs Geschichtskurse der Q3 (Ba, Czu, Ho, Ob, Pfl, Plo) zum westlichsten Punkt der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze, Point Alpha, statt. An diesem Ort ist auch heute noch unmittelbar nachvollziehbar, wie sich im sogenannten „Fulda-Gap“ NATO und Warschauer Pakt direkt gegenüberstanden.
Im Rahmen der Exkursion erhielten die Schülerinnen und Schüler eine Führung über das Gelände eines ehemaligen Grenzpostens, erkundeten die Grenzanlagen der DDR, die über die Jahrzehnte hinweg immer unüberwindbarer gesichert wurden, und folgten gebannt den bewegenden Erfahrungen von Zeitzeugen.
Der ehemalige unmittelbar an der Grenze gelegene Stützpunkt der U.S. Streitkräfte, welcher der Gedenkstätte heute seinen Namen gibt, ist weitgehend im Originalzustand erhalten – inklusive militärischer Fahrzeuge und Hubschrauber. In den ehemaligen Baracken befindet sich heute eine Ausstellung zur Geschichte des Ost-West-Gegensatzes.

Das Museum im „Haus an der Grenze“ zeigt hingegen die Geschichte der deutsch-deutschen Teilung und Wiedervereinigung. Hier können u.a. Fluchtgeschichten und der Aufbau der Mauer nachvollzogen werden.


Eine Zeitzeugin berichtete unseren SchülerInnen sehr kritisch über ihre Jugend in der DDR und die Erlebnisse ihrer Eltern und Großeltern.

Es habe keine Reisefreiheit gegeben, Passierscheine für innerländische Reisen seien nötig gewesen. Oft habe aber nicht die gesamte Familie gemeinsam reisen dürfen, um die Flucht von vornherein unattraktiv zu machen.

Sie erinnert sich an Westpakete mit besonderen Waren (Waschmittel, Seifen, Schokoladen, Gummibärchen), die besonders langsam verbraucht wurden.
Auch innerhalb der Familien habe es oft keine komplette Offenheit geben können, die Kinder sollten möglichst unbedarft aufwachsen und man hatte Sorge vor dem Zugriff des Staates. Die Indoktrination habe schon im Kindergartenalter durch das Schaffen eines Feindbildes und Uniformierung ab Klasse 1 begonnen. 

Sie berichtet, dass Kinder, deren Eltern besonders christlich oder systemkritisch eingestellt waren, die Uniform nicht mehr tragen durften, öffentlich ausgegrenzt wurden und dass es zur „staatlich verordneten Ausgrenzung“ kam.

In Kaderschmieden, der sog. „Pinonierrepublik“ wurden gute und systemangepasste Jugendliche vertiefend indoktriniert und spielerisch militärisch ausgebildet. Hier sei die wahre Intention nicht leicht zu erkennen gewesen.


Die Bilder von ausreisenden DDR-Bürgern ab 1988 führten in der Gesellschaft zunehmend zu einem Umdenken, die Stigmatisierung anderer Bürger als „Feind“ schien nicht schlüssig zu sein. Man begann zu hinterfragen und informierte sich nach 1989 auf vielfältige Weise. 

Auch durch die Einsicht ihrer Mutter in ihre Stasiakten nach 1989 wurde deutlich, dass sich in der DDR nicht ans Briefgeheimnis gehalten wurde. So wurde beispielsweise der gesamte Briefverkehr zwischen der Patin im Westen und ihrer Mutter im Osten geöffnet.  Einige Geschenke seien nicht beim Empfänger angekommen.

Für unsere Zeitzeugin konkret sei nach dem Mauerfall „ihr Weltbild in die Luft geflogen“. Daher warnt sie die Jugendlichen eindringlich davor, sich zu schnell begeistern zu lassen und kritisch zu bleiben.

Text: Iris Hofmann, Fotos: Jan Czudai und Iris Hofmann