Zeitzeugengespräch mit Eva Szepesi

Am 12. Juni durften die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 9 und Q2 in der Aula einen ganz besonderen Gast begrüßen: Eva Szepesi, eine 92-jährige Holocaust-Überlebende kam zu uns, um aus ihrem autobiografischen Roman vorzulesen und mit uns über ihre Kindheit in Ungarn, ihre Flucht vor den Nationalsozialisten in die Slowakei und ihre erschütternden Erlebnisse in Auschwitz und danach zu sprechen. Ihr Besuch hinterließ einen bleibenden Eindruck und erinnerte uns eindrücklich daran, wie wichtig Erinnern und Aufklären ist.

„Ich wollte überleben, ich wollte nach Hause.“

Auf die Frage, ob sie während der Zeit in Auschwitz jemals Hoffnung verspürte, antwortete sie ohne zu zögern: Ja, sie habe immer Hoffnung gehabt. Der Gedanke an ihre Familie und der starke Wille, nach Hause zurückzukehren, hätten sie am Leben gehalten.

Warum sie sich als 16-Jährige ausgab

Sie berichtete, dass sie damals in Auschwitz behaupten musste, bereits 16 Jahre alt zu sein – obwohl sie erst 12 war. Nur wer als arbeitsfähig galt, wurde nicht sofort ermordet. Diese Entscheidung rettete ihr das Leben.

„Es war schlimmer, als man es sich vorstellen kann.“

Auf die Frage, ob Filme die Realität in den Konzentrationslagern korrekt darstellen, sagte sie: „Es war genau so – wenn nicht schlimmer. Die Soldaten hatten Freude daran, uns zu schlagen, uns zu demütigen.“

Der schmerzhafte Besuch in Auschwitz Jahrzehnte später

Viele Jahre später kehrte sie zurück nach Auschwitz. Ein Moment, den sie als „unbeschreiblich“ bezeichnete. Sie hatte Angst vor dem, was sie dort über das Schicksal ihrer Familie erfahren würde. Lange Zeit hatte sie gehofft, dass sich Mutter und Bruder vielleicht irgendwo versteckt hatten. Als sie ihre Namen auf den Gedenktafeln fand, wurde ihr klar, dass sie nie zurückkehren würden. Sie brach emotional zusammen – fast bewegungsunfähig. Ihre Tochter meinte, es sei dennoch gut gewesen, um damit abschließen und trauern zu können.

„Man kann Auschwitz nicht vergessen.“

Ob es Tage gebe, an denen sie nicht an Auschwitz denke? „Nein, das kann man nicht ausblenden“, sagte sie. Das Erlebte begleite sie ihr ganzes Leben. Erst Jahrzehnte nach dem Krieg begann sie überhaupt darüber zu sprechen – bis 1995 hatte sie das Thema vollständig verdrängt.

Flucht, Rückkehr und Leben nach dem Krieg

Nach dem Krieg zog sie wegen ihres Mannes von Ungarn nach Frankfurt, vorerst nur für zwei Jahre. Als sie 1956 im Urlaub in Ungarn von der Revolution überrascht wurden, gingen sie zurück nach Deutschland – und blieben für immer. Ihre Tätowierung trägt sie noch heute: „Sie gehört zu mir“, sagte sie.

Begegnung mit den Nachbarn nach dem Krieg

Bei ihrer Rückkehr wurde sie von ihrer Nachbarin schockiert angesehen – niemand hatte erwartet, dass jemand überlebt und zurückkommt. Sie selbst mied den Kontakt mit vielen Bekannten aus der Zeit vor dem Krieg.

Aktuelle Entwicklungen und Verantwortung heute

Angesichts des heutigen Wiederauflebens von Antisemitismus äußerte sie Besorgnis. Sie selbst habe in der Vergangenheit für einen Vortrag sogar schon Polizeischutz erhalten. Ihre klare Botschaft: „Nicht schweigen. Der Holocaust begann mit Worten, mit Diskriminierung – nicht erst in Auschwitz.“

Sie warnte davor, alles zu glauben, was man auf Plattformen wie TikTok sieht, und rief uns Schülerinnen und Schüler dazu auf, gegen Ungerechtigkeit Stellung zu beziehen.

Glaube und Zweifel

Auf die Frage, wie die Erlebnisse ihren Glauben beeinflusst haben, sagte sie ehrlich: „Er hat gelitten.“ Als Kind hatte sie jeden Abend gebetet – nach dem Krieg konnte sie sich nicht erklären, wie so etwas passieren konnte, wenn es einen gerechten Gott gebe.

Antisemitismus nach dem Krieg

Persönlich sei sie nach dem Krieg nicht mehr direkt mit Antisemitismus konfrontiert worden – in den Medien hingegen sehr wohl.

Hass? – „Ich habe so viel Liebe erfahren.“

Trotz allem, was sie erlebt hat, verspüre sie keinen Hass gegenüber Deutschen. Im Gegenteil: Sie betont, dass sie hier sehr viel Liebe und Unterstützung erfahren habe. Sie versuche, das Gute im Menschen zu sehen – und wer dieses Gute nicht zeige, mit dem wolle sie nichts zu tun haben.

Ein bewegender Appell an unsere Generation

Der Besuch von Eva Szepesi war für uns alle tief bewegend. Ihre Offenheit, ihre Stärke und ihr Appell an uns, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen, haben uns zum Nachdenken gebracht. Es liegt nun an uns, ihre Geschichte weiterzutragen – damit sich so etwas nie wiederholt.

von Amalia Alamri (Q2)