Empfänger unbekannt
Woche gegen das Vergessen
„Empfänger unbekannt“, was hinter diesem Titel wohl stecken mag? Diese Frage stellte sich der Jahrgang Q3 unserer Oberstufe am Freitag, den 8.11.2024, bevor er die Aula des Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums betrat, die an diesem Vormittag als Bühne fungierte. Im Rahmen der „Woche gegen das Vergessen“ ermöglichte die Frankfurter Bürgerstiftung die Vorstellung einer szenischen Umsetzung des Briefromans „Empfänger unbekannt“.
Kathrine Kressmann Taylors Roman wurde bereits 1938 in der New Yorker Zeitschrift Story veröffentlicht und thematisiert damit schon früh die Gräuel des Nationalsozialismus.
Die Schülerinnen und Schüler tauchen in eine Welt ein, die sehr weit weg erscheint. Eindrücklich stellen die beiden Schauspieler Manuel Klein und Michael Raphael Klein den Briefwechsel zwischen dem jüdischen Max Eisenstein und Martin Schulse dar, die eigentlich gemeinsam eine erfolgreiche Kunstgalerie in den USA betreiben. Als Martin Schulse 1932 mit seiner Familie nach Deutschland zurückkehrt, scheint die Freundschaft über den Atlantik hinweg zu halten, doch schleichend wird anhand des Briefwechsels klar: Martin Schulse, anfangs noch von der Entwicklung in Deutschland befremdet, wird zum bekennenden Nationalsozialisten. Was dies für Konsequenzen für ihre Freundschaft hat und welch tragische Folgen diese Entwicklung mit sich trägt, wird den Schülerinnen und Schülern anhand dieser eindrucksvollen Geschichte über die Macht des Nationalsozialismus und den Verlust von Vertrauen und Freundschaft deutlich.
Dabei sind auf den Gesichtern erschreckte und mitfühlende Ausdrücke zu beobachten, die den berührenden Charakter des Stückes unterstreichen. Besonders die interaktive Bühnengestaltung inmitten der Aula trägt zu einer intensiven Atmosphäre bei. Wie zwei Pole sitzen sich die zwei Schauspieler dabei gegenüber und tragen abwechselnd ihre als Monolog dargestellten Briefe vor. Eindrücklich sind dabei vor allem Mimik und Gestik der Schauspieler, die den Verlauf des Briefwechsels förmlich auf ihren Gesichtern abspielen lassen.
Eine anschließende Fragerunde, moderiert von Frau Kerfin, bringt neben äußerst positiver Kritik auch spannende Fragen und Diskussionen mit den Schauspielern hervor. Die Schülerinnen und Schüler loben die eindrucksvolle Darstellung bedeutender Themen wie die Schuldfrage in Bezug auf den mangelnden Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Besonders die heutige Relevanz des Stückes – gerade in Anbetracht aktueller politischer Entwicklungen – wird von den Schülerinnen und Schülern hervorgehoben. Dabei wird betont, dass das Stück in Zeiten des Rechtsrucks dazu dienen kann, über Gesellschaft und die darin sich etablierenden Strukturen zu reflektieren. Der aufklärerische Charakter einer solchen Inszenierung trägt zur Erinnerungskultur bei, sind die Schülerinnen und Schüler überzeugt.
Der heutige Bestseller hat bei allen einen bleibenden Eindruck hinterlassen, der zum Nachdenken anregt. Mit einer abschließenden Ansprache bedankt sich Frau Mund-Berger als Vertreterin der Frankfurter Bürgerstiftung und ehemalige Lehrerin am Heinrich-von-Gagern-Gymnasium für das Engagement der Stufe und appelliert, sich aktiv politisch zu beteiligen. Gerade in Krisenzeiten sei eine solch politisch aktive und gesellschaftlich interessierte Jugend, wie sie sie an diesem Tag in der Aula empfunden habe, nötiger denn je.
Ein Bericht von Nina Baverstock, Q3